Mittwoch, 11. April 2012

Interview mit der zu 4,5 Jahren Haft verurteilten Menschenrechtsaktivistin Mansoureh Behkish



Jaras, 7. April 2012 – Die Menschenrechtsaktivistin und Unterstützerin der Gruppe der Trauernden Mütter vom Laleh-Park, Mansoureh Behkish, wurde am 3. April 2012 wegen “Versammlung und Verdunkelung gegen die nationale Sicherheit durch regimefeindliche Propaganda” zu 4,5 Jahren Haft verurteilt.
Mit Jaras sprach sie über ihre Verurteilung.
“Am 3. April setzten sie mich über mein Urteil in Kenntnis, jetzt warte ich auf die Entscheidung der 2. Instanz. Wie Sie wissen, ist eine ordentliche Verteidigung vor Gericht nicht zugelassen, aber ich habe mich im Gerichtssaal selbst verteidigt. Der Repräsentant der Staatsanwaltschaft war ebenfalls zugegen, er nahm Snacks zu sich und forderte wiederholt die Höchststrafe.”“Sie fragten, was ich am Grab von Neda Agha Soltan wollte. Ich antwortete mit der Gegenfrage, ob es ein Verbrechen sei, eine Grabstätte aufzusuchen. Dies sei für mich nicht ungewöhnlich, ich würde seit 30 Jahren die Gräber meiner Lieben besuchen.”
“Es ist mein Recht als Bürgerin, die Gräber meiner Angehörigen zu besuchen. Das sind alles Vorwände. Mit viel Druck und Schikane wollen sie erreichen, dass ich nicht mehr zu den Gräbern meiner Geschwister gehe. Wir dürfen nicht einmal Gedenkfeiern für unsere Angehörigen abhalten.”
Mansoureh Behkish war im November und im Dezember 2009 sowie im Juni 2011 verhaftet worden. Sie wurde im Juli 2011 gegen Kaution aus dem Evin-Gefängnis entassen.
“Bei einer meiner Verhaftungen kamen sie an meinen Arbeitsplatz, um mich festzunehmen. Sie behandelten mich sehr grob und führten mich in Handschellen ab wie einen Dieb. Nach diesem Vorfall verlor ich meinen Job.”
“Ich wurde stundenlang verhört, die meisten Fragen betrafen meine Schriften. Ich habe nur über das Thema Menschenrechte geschrieben.”
“Ich habe bei den Verhören meine Meinung gesagt und ihnen Fragen gestellt. Ich habe über all die Gräuel gesprochen, die sie an uns verübt haben. Ich sagte zu ihnen, dass sie viele unserer Lieben umgebracht haben, auch zwei meiner Brüder.”
“Ich sagte zu ihnen: ‘Meine Brüder hatten gegen das Schah-Regime gekämpft, aber nach der Revolutin habt ihr sie verhaftet, verurteilt und nach ein paar Jahren Gefängnis 1988 hinterichtet.’ Einer der Befrager sagte darauf: ‘Wir haben damals einige Fehler gemacht – warum lasst ihr es nicht einfach auf sich beruhen?’”
Mansoureh Behkish hat durch die Massenhinrichtungen in den 1980er Jahren sechs Familienangehörige verloren.
“Warum sollen wir es auf sich beruhen lassen? Sie haben sechs Mitglieder meiner Familie getötet, und niemand ist verantwortlich. Sie sollten zumindest zugeben, dass sie Fehler gemacht haben. Das ist das mindeste, was sie für eine Frau tun können, die ihre Brüder verloren hat.”
“Sagt uns die Gründe, warum sie getötet wurden. Sie haben uns die Leichen nicht zurückgegeben, sie haben uns nicht einmal gesagt, wo sie begraben sind. Nicht einmal den letzten Willen unserer Brüder haben sie uns mitgeteilt. Und auch Khavaran (den Friedhof, auf dem die Opfer der Massenhinrichtungen der 80er Jahre in Massengräbern beerdigt wurden) haben sie nicht in Frieden gelassen. 2007 sind sie mit Bulldozern dort angerückt und haben Bäume hingepflanzt.”
“Dieses Jahr war ich kurz vor Neujahr mit meiner Mutter in Khavaran, um den Ort zu besuchen, an dem ihre Kinder begraben sind. Jedes Jahr haben sie die Straße dorthin geschlossen. Dieses Jahr war die Straße offen, aber in Khavaran selbst waren viele Sicherheitskräfte präsent. Meine Mutter ist 91 Jahre alt und kann nur mit Mühe gehen. Wir nahmen sie bei der Hand und wollten mit ihr hineingehen, aber sie haben uns den Zutritt zum Friedhof verwehrt.”
“Sie haben sogar Angst davor, dass wir Blumen auf die Grabstätten setzen. Es sind nur Blumen. Aber sie sagen, dass unsere Blumen gefährlicher sind als Handgranaten und Schusswaffen.”
Ihre Mutter wisse von dem gegen sie verhängten Urteil, so Mansoureh Behkish. “Sie ist auf mich angewiesen und macht sich große Sorgen. Sie setzen mich auf tausend Arten unter Druck. Ich darf das Land nicht verlassen. Sie haben mich an meinem Arbeitsplatz verhaftet – wofür? Nur weil ich die Gräber meiner Geschwister besuchen will. Ich will wissen, warum sie hingerichtet wurden. Wie wurden sie getötet? Wo sind sie begraben?”
“Es war nicht leicht für uns, herauszufinden, dass sie in Khavaran sind. Ein Jahr lang ging meine Mutter zum Evin-Gefängnis [um sich zu erkundigen]. Sie schickten sie nach Behesht-e Zahra (einen großen Friedhof bei Teheran). Dort schickte man sie wieder zurück nach Evin. Irgendwann gab uns endlich jemand die Adresse von Khavaran.”
“Unter großen Schwierigkeiten haben wir das Grab meiner Schwestern gefunden. Den Grabstein meines Bruders haben sie drei Mal zerbrochen. Sie haben uns so viel schikaniert – dies sind nur Kleinigkeiten.”
“Die Familien legen nur Blumen auf die Gräber und gehen wieder. Warum setzen sie uns so unter Druck?”
Sie werde ihre Menschenrechtsarbeit fortsetzen, so Behkish. “All diese Jahre hindurch haben sie mich so unter Druck gesetzt, das war schlimmer als das Gefängnis. Aber ich werde meine Menschenrechtsarbeit fortsetzen. Diese Urteile werden mich nicht von meinem Weg abbringen.”
“Ich glaube, dass diese harten Urteile nur dazu führen werden, dass diejenigen, die bisher nur als Zuschauer am Rande sitzen, ihr Schweigen brechen. Wie viel können Menschen ertragen? Wenn sie es nicht länger aushalten und die Geduld verlieren, kann das ernste Konsequenzen haben.”
“Ich habe ihnen oft gesagt, dass sie sich mit ihrem Verhalten selbst schaden. Sie haben sogar erreicht, dass ihre Anhänger zu ihren Feinden wurden. Darum ist ihr Weg nicht der richtige. Wer so unter Druck gesetzt wird, wird nicht schweigen, und dann wird es zu spät sein.”
Anmerkung: Das “Observatory for the Protection of Human Rights Defenders” – ein gemeinsames Projekt der Internationalen Föderation der Menschenrechte (FIDH) und der “World Organization Against Torture” (OMCT) hat in einer Erklärung das Urteil gegen Mansoureh Behkish kritisiert und ein Ende der juristischen Schikanen gegen sie gefordert. Mit dem harten Urteil solle sie lediglich davon abgehalten werden, ihre Menschenrechtsarbeit fortzusetzen. Zudem diene es als Einschüchterung an die Adresse aller Menschenrechtsaktivisten in Iran, heißt es in der Erklärung

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